ASPEKTE DES TEXTES

Ein Text kann noch so „gut geschrieben“ sein, wenn er nicht zur Situation passt, verfehlt er seine Wirkung. Die Übereinstimmung zwischen Situation und Text wird dadurch erreicht, dass Textfunktion und Textsorte zum Anlass der Situation passen und die sprachliche Ausgestaltung den verschiedenen Situationsaspekten entspricht.

Die Textfunktion beschreibt, was mit einem Text erreicht werden soll; in der Sprachwissenschaft wird von fünf Grundfunktionen ausgegangen: Information, Appell, Obligation (Selbstverpflichtung), Kontakt (soziale Funktion) und Deklaration. Diese Grundformen können auch in Kombination auftreten, was zusätzliche Mischformen ergibt. So ist beispielsweise eine Bedienungsanleitung sowohl Information als auch Appell, was als Instruktion bezeichnet wird. Ob ein Text bloss informieren oder doch zu einer Handlung anleiten soll, kann zwar Einfluss auf die sprachliche Realisierung eines Textes haben, entscheidender hierfür sind jedoch die Textsorten, welche mit der Textfunktionen in engem Zusammenhang stehen.
Zwar gibt es kein systematisches Verfahren, um Textesorten eindeutig zu klassifizieren, dennoch können Mitglieder einer Sprachgemeinschaft einen Einzeltext sehr schnell einer Textsorte zuweisen. Verbunden mit dieser Fähigkeit ist auch das konventionalisierte Wissen darüber, welche Textsorte in welcher Situation verwendet wird und welche Stilmerkmale, Formulierungs- und Darstellungsmuster zu einer Textsorte passen. Obwohl dieses Wissen meist unbewusst abgerufen wird, bewirkt die Nichteinhaltung der Konventionen Irritation oder gar Ablehnung.
Wortwahl und Formulierungen, aber auch die Verbindlichkeit von Rechtschreibung und Grammatik sind abhängig von den sozialen Aspekten der Kommunikationssituation. Gibt es für eine bestimmte soziale Konstellation eine charakteristische Sprech- oder Schreibweise, wird diese „Register“ genannt. Ob ein Text als angemessen wahrgenommen wird, hängt mit andern Worten u. a. davon ab, dass dasjenige Register gezogen wird, das der Situation entspricht.
Während mit „Register“ der Fokus auf die sozialen Aspekte der Situation gerichtet ist, lenkt „Stil“ die Aufmerksamkeit auf die sprachliche Realisierung. Der Stil von Texten wird aus verschiedenen Perspektiven zu erfassen versucht: Aus der antiken Rhetorik entstammt die Unterscheidung des Stils nach seiner Höhe (z. B. gehobener Stil); Kriterien für diese Perspektive sind v. a. Wortwahl und Komplexitätsgrad der Formulierungen. Ähnliche Kriterien, ergänzt durch den Verbindlichkeitsgrad von Rechtschreibung und Grammatik, gelten für die Stilkategorien anhand der Verwendungsebene (z. B. umgangssprachlicher Stil). Der Stil kann aber auch auf der Grundlage von vorherrschenden Wortarten klassifiziert werden (z. B. Nominalstil). Welcher Stil als passend empfunden wird, hängt nicht nur von der Textsorte und Aspekten der Situation ab, sondern unterliegt auch dem Wandel der Zeit. Gerade im Bereich der Unternehmenskommunikation gilt ausserdem zu beachten, dass auch persönliche Eigenheiten den Stil eines Textes prägen (sogenannter Individualstil). Deshalb sind Sprachleitfäden für diejenigen Unternehmen ratsam, in denen mehrere Personen Texte erstellen (s. Corporate Language).
Die getroffene Wortwahl trägt wesentlich zur Wirkung eines Textes bei und ist zugleich stark von diversen Aspekten wie Zielgruppe, Zweck und Textsorte abhängig. Als Faustregel gilt jedoch, dass bei öffentlicher Kommunikation Begriffe vermieden werden sollten, die in Wörterbüchern mit „gehoben“, „umgangssprachlich“, „salopp“ etc. markiert sind.
Die Menge korrekter Sätze, die in einer Sprache gebildet werden können, ist unendlich, der Spielraum für Art und Komplexität des Satzbaus gross. Gerade deshalb ist es wichtig, die Kommunikationssituation zu berücksichtigen und zu beachten, welche Formulierungsmuster konventionell mit den eingesetzten Textsorten verbunden sind.
Die Kombination von Worten bedeutet immer auch die Kombination von betonten und unbetonten Silben. Betont sind meist die Stammsilben eines Wortes, unbetont die Vorsilben und Endungen. Werden also vorwiegend kurze Worte in einem Text verwendet, folgen betonte Silben kurz aufeinander, was einen abgehackten oder vorwärtspreschenden Effekt erzielt. Ein ständiger Wechsel in Satzlänge und Silben-Kombination lässt einen Text unruhig erscheinen.
Mit Lesefreundlichkeit verbindet man vor allem optische Qualitäten eines Textes; Schriftart, -grösse, Zeilenabstände etc. Aber auch die Sprache trägt ihren Teil zur Lesefreundlichkeit bei: Nebst der sprachlichen Korrektheit sind es flache Satzstrukturen, eindeutige Begriffe und klare Syntax (Vermeidung sogenannter Holzwegsätze), die dazu beitragen, dass ein Text in einem Zug durchgelesen werden kann. In literarischen Texten oder im Sinne eines Sprachspiels kann es natürlich durchaus reizvoll sein, wenn Lesende Wort- oder Satzsinn erst erschliessen müssen, in Gebrauchstexten hingegen stoppen solche Spielereien den Lesefluss und erschweren die Lektüre.